Gerade habe ich
auf gelesen, daß Sie all Ihre Klassiker
durchforsten wollen, und "umstrittene" Wörter wie
"Negerlein" komplett streichen. Es sei notwendig,
Bücher an den sprachlichen und politischen Wandel
anzupassen. "Nur so bleiben sie zeitlos."
Das ist Unsinn.
Die Zeitlosigkeit
ergibt sich aus der Qualität, dem Stil und der Aussage
eines Werkes.
Wenn es erforderlich
wäre, Worte zu ändern, um Bücher heute noch lesbar zu
machen, hätten wir weder Goethes Faust mehr noch könnten
wir irgendein anderes Werk im Original lesen. Die
Qualität würde dem Massengeschmack und der Massenfurcht
angepaßt, und diese würde vergrößert. Das würde wiederum
zu einer weiteren Entstellung der einstmals guten
Literatur führen. Am Ende steht die Verdummung des
Volkes und eine Unfähigkeit, sich mit der Vielfalt von
Sprache und den verschiedenen Konnotationen durch die
Jahrhunderte auseinanderzusetzen.
Ich habe selber lange
Jahre als Deutschlehrer gearbeitet. Ich habe im
Unterricht für Deutsch als Fremdsprache gerne auf Ihre
Werke zurückgegriffen.
Ich werde in Zukunft
schauen, daß ich möglichst Bücher von Ihnen antiquarisch
erwerbe. Wenn das alle täten, gingen Sie als Verlag zwar
ein, aber vielleicht fände sich ein anderer, der die
Schöpfungen der Autoren wieder achtet.
Wenn Sie nicht mehr
daran glauben, daß Schüler in der Lage sind, reflektiert
mit Begriffen umzugehen, wenn Sie nicht mehr daran
glauben, daß die Worte der Autoren die Worte der Autoren
bleiben müssen, wenn Sie dagegen daran glauben, daß
(angebliche) "political correctness" über alles geht,
dann verraten Sie Ihre Autoren ein Stück, dann löschen
Sie die Vergangenheit aus, dann betrügen Sie die Leser,
auch die Kinder, um die Diskussion über und das Lernen
aus der Vergangenheit und das Umgehen mit ihr.
Sie machen sich zum
Werkzeug eines Geistes, der letztlich zu Zuständen
führt, die Orwell so plastisch in "1984" beschreibt.
Ich bin entsetzt
gewesen, als ich dies las, ich bedauere Ihre Haltung
zutiefst, ich bin betrübt über den Verlust für die
Literatur und ich hoffe, daß Sie sich entweder besinnen
oder die Rechte an den Werken verlieren zugunsten eines
Verlages, der nicht vor der - scheinbaren - politischen
Meinung einknickt.
Besinnen Sie sich, ich
bitte Sie.